Bleifreie Munition macht keineswegs sorgenfrei

23. Feb 2017

Bleifreie Munition macht keineswegs sorgenfrei

Gunnar Petrikat informierte die Jäger über Munition, Ballistik und Schalldämpfer für die Jagd

BAD KÖTZTING-SIMPERING. Das Nebenzimmer des Gutsgasthofes Schmidt konnte die vielen Zuhörer kaum aufnehmen, die am Freitagabend zu einem Vortrag von Büchsenmacher Gunnar Petrikat von der Firma RUAG Ammotec gekommen waren. Hauptthema war der Einsatz von bleifreier Munition auf der Jagd, daneben befasste sich der Referent mit Ballistik und der Wirkung von Schalldämpfern für die Jagd.

Bruno Ebner hieß als Vorsitzender der BJV-Kreisgruppe Bad Kötzting den aus Fürth angereisten Referenten willkommen und wertete den hervorragenden Besuch als Indiz dafür, dass sich viele Jäger Gedanken über die aktuellen Entwicklungen bei Munition und Schalldämpfern machen. Gunnar Petrikat erinnerte daran, dass 2005 einige durch Vergiftungen verendete Seeadler, die mit Bleimunition belasteten Aufbruch von Wildtieren gefressen hatten, die Diskussion um alternative Geschossmaterialien für die Jagd auslösten. Seither forderten einige "grün-mitregierte" Bundesländer, verschiedene Landesforste und die Bundesforste die Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd auf Schalenwild, ebenso von bleifreier Schrotmunition bei Schüssen auf Wasserwild.

Die zahllosen Untersuchungen und Schießversuche, die von Munitionsherstellern, der für die Sicherheit von Waffen und Geschossen zuständigen DEVA, von Berufsjägern und bei der Jagd auf über 11 000 Stück Schalenwild in Landes- und Bundesforsten unternommen wurden, hätten gezeigt, dass Blei keineswegs einfach durch andere Materialien zu ersetzen ist, erklärte Gunnar Petrikat. Grundsätzlich könne er als Ergebnis aller Untersuchungen festhalten, dass bleifreie Geschosse genauso sicher und schnell töten, wie bleihaltige Projektile. Signifikante Unterschiede gebe es aber bei den Fluchtstrecken von Wild und beim Abprallverhalten der Geschosse. Während die Fluchtstrecken in den meisten Fällen bei bleifreier Munition deutlich länger sind, zeige die meist härtere Munition ein Abprallverhalten, das deutlich mehr Gefahren birgt, als bei den weicheren, bleihaltigen Geschossen.

Blei in vielen Lebensmitteln

Untersuchungen hätten auch gezeigt, dass Schlachtvieh ebenso wie Wildbret einen Bleianteil von 0,02 Milligramm pro Kilogramm aufweist. Nur 0,04 Prozent der jährlichen Bleiaufnahme erfolge beim Menschen durch den Verzehr von Wildbret, während zum Beispiel 6,9 Prozent beim Verzehr von Kartoffeln aufgenommen werde. Für Jäger müsse dennoch der Grundsatz gelten: "Geschossfragmente haben nichts in Lebensmitteln verloren!", sagte Gunnar Petrikat. Durch den Schuss zerstörtes Gewebe müsse deshalb großzügig aus dem Wildkörper herausgeschnitten werden.

Fakt ist nach Aussage des Referenten auch, dass Geschosse, die nur aus Kupfer, Messing oder Tombak bestehen, zu einem so starken Abrieb im Gewehrlauf führen, dass nach 40 Schuss eine chemische Reinigung erforderlich ist. Dagegen gebe es auch bei bleifreien Geschossen mit einem Geschossmantel keinen zusätzlichen Abrieb. Wegen der unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Bundesländern wäre es nach Ansicht von Petrikat längst nötig, auf Bundesebene eine technische Richtlinie für Jagdbüchsengeschosse zur Sicherung von deren jagdlicher Tauglichkeit herauszugeben. Er riet dazu, bleifreie Munition nur dort einzusetzen, wo sie wirklich vorgeschrieben ist. Die Erfahrung aus unzähligen Versuchen zeige, dass bleihaltige Deformations- oder Zerlegungsgeschosse sicher töten, weniger Gefahr durch Abpraller bergen und letztlich auch nicht gesundheitsschädlicher sind, wenn das vom Schuss betroffene Gewebe großzügig ausgeschärft wird.

Schalldämpfer dient Schützen

Das Schweizer Unternehmen RUAG beschäftige als Nachfolgebetrieb der früheren Dynamit Nobel AG rund 1200 Mitarbeiter am Standort Fürth, erläuterte Gunnar Petrikat in seinem zweiten Vortrag. Eine engmaschige Qualitätskontrolle sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Munition mit immer gleichen Leistungen auf den Markt zu bringen. Allein für die Entwicklung eines neuen Jagdgeschosses seien 25 000 "Abschussberichte" die Basis, sagte Petrikat, ehe er die Funktionen von Patronenhülse, Zündhütchen und die Wirkung der Patrone auf Lauf und Patronenlager im Detail erläuterte. Ein Geschoss müsse innerhalb von 20 Millisekunden mindestens zweimal vom Drall des Gewehrlaufes gedreht werden, ehe es die Laufmündung verlässt. Weil der Lauf beim Schuss schwingen muss, um eine optimale Präzision für das Geschoss mitzugeben, dürfe niemals mit dem Lauf direkt aufgelegt werden, unkontrollierbare "Prellschüsse" wären die Folge.

Die Gesetzeslage für oder gegen den Einsatz von Schalldämpfern bei der Jagd ist nach Aussage des gelernten Büchsenmacher völlig unübersichtlich, Schalldämpfer würden auf Antrag momentan in sechs Bundesländern zugelassen, unter anderem in Bayern und Baden-Württemberg, der Erwerb setze aber einen Voreintrag in der Waffenbesitzkarte voraus. Schalldämpfer machten Schüsse keineswegs "unhörbar", wie oft vermutet wurde. Sie dämpften aber ganz massiv die Gehör schädigende Wirkung eines Schusses, weil die Frequenz des Schussknalls verändert werde. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass sich  die Nachfrage vor allem auf die so genannten "Overbarrel"-Dämpfer konzentriert, die zu zwei Dritteln ihrer Länge hinter der Laufmündung liegen, während vorne auf einem Präzisiongewinde aufgesetzte Schalldämpfer den Lauf um bis zu 25 Zentimeter verlängern und die Waffe unhandlich machen.

Durch einen exakt montierten Schalldämpfer aus Stahl, Aluminium, Carbon, oder einem Materialmix aus diesen Stoffen, der zudem mit Edelstahlgewebe in den einzelnen Kammern ausgelegt sein sollte, werde der Rückstoß der Waffe stark gemindert, das Mündungsfeuer blende nicht mehr den Schützen, weil das austretende Gas an der Mündung im Schalldämpfer umgelenkt wird. All das führe zu einer deutlich gesteigerten Präzision beim Schuss, sagte Gunnar Petrikat. Grundsätzlich müsse ein Schalldämpfer nach jedem Jagdeinsatz abgeschraubt und trocken gelagert werden. "Er sollte nach Leder riechen", riet der Fachmann, stechender Gestank sei ein Indiz, dass der Dämpfer gereinigt werden muss, was alle 200 Schuss ohnehin obligatorisch sei.

Klare Hinweise hatte der Mitarbeiter des europaweit führenden Munitionsherstellers schließlich auch noch für das Einschießen der Jagdwaffen. Bei vier Zentimeter Hochschuss auf 100 Meter, die am Schießstand präzise ermittelt wurden, sei eine Waffe von 50 bis 200 Meter uneingeschränkt und ohne Veränderung des Haltepunktes einsetzbar. Bei Schussentfernungen unter 50 Meter riet der Büchsenmacher dringend von "Tellerschüssen" auf Sauen, oder "Trägerschüssen" auf Reh und Hirsch ab. Der Schuss aufs Blatt sei gerade bei kurzen Entfernungen die sicherste Methode, Wild zuverlässig zu treffen.

 

Bildtexte:

BJV-Kreisgruppenvorsitzender Bruno Ebner dankte Gunnar Petrikat von der Firma RUAG Ammotec für einen fundierten Vortrag zu den Themen bleifreie Munition, Schalldämpfer und Ballistik.                                      Fotos: Dachs

 

Zahlreiche Jäger drängten sich im Gutsgasthof Schmidt in Simpering bei dem Vortrag der RUAG.

 

Gunnar Petrikat zeigt verschiedene Schalldämpfer, die als Schnittmodelle auch einen Einblick in das Innenleben zuließen.