Mit Drohnen Jungwild retten

15. Mai 2023

Landwirte und Jäger helfen bei der Mahd in Wiesen und Grünroggen zusammen

BAD KÖTZTING. Rehkitze, denen die vier Beine abgemäht wurden, Junghasen, die in den Scheibenmähwerken regelrecht zu Gulasch zerhackt wurden, Fasanengelege, die nur noch aus zerbrochenen, angebrüteten Eiern bestehen – solche Horrorszenarien wollen Landwirte und Jäger nicht erleben. Deshalb entwickelte sich auf der Basis der EU-Drohnenverordnung von 2021 eine deutlich ausgebaute Form der Jungwildrettung unter Einsatz von Drohnen, die mit Wärmebildkameras die gut versteckten Tiere orten und ihre Rettung ermöglichen.

„Jedes Stück Jungwild, das vor der ersten Grünfuttermahd gesichert werden und dadurch überleben kann, ist ein Gewinn für die Natur“, sagt der Vorsitzende der BJV-Kreisgruppe Bad Kötzting, Roland Heigl. Ihm geht es in den nächsten Wochen, wenn der erste Schnitt für Grassilage erfolgt und noch bevor der vor allem für Biogasanlagen wichtige Grünroggen gemäht wird, um eine intensive Zusammenarbeit zwischen Jägern und Landwirten im Sinne des Tierschutzes. Der Schutz von Jungwild ist gesetzlich vorgeschrieben und obliegt zunächst als Aufgabe den Landwirten oder Lohnunternehmern, die im Auftrag von Betrieben Grünland mähen. „Wir Jäger unterstützen natürlich unsere Jagdgenossen gerne bei dieser Aufgabe“, sagt der BJV-Kreisgruppenvorsitzende, „und das ist schon seit Jahrzehnten so“.

Während aber früher das Aufstellen von Wildscheuchen, das mühsame Absuchen großer Wiesenflächen mit oder ohne Hund, später auch die Platzierung von optischen und akustischen Wildschreckeinrichtungen üblich war, gewinnt seit knapp fünf Jahren der Einsatz von Drohnen mit Wärmebildkameras zunehmend an Bedeutung. Wichtig ist dabei eine exakte Vorbereitung der Suche. Wenn die entsprechenden Flächen frühzeitig abgeflogen und die entsprechenden Daten im Computer der Drohne gespeichert wurden, ist die Jungwildsuche binnen kurzer Zeit durchzuführen und verspricht einen fast 100-prozentigen Erfolg. „Für uns Jäger ist wichtig, frühzeitig über einen geplanten Mähtermin informiert zu werden“, sagt Roland Heigl, denn sobald das Wetter und das Gras passen, wollen alle Landwirte mit der Ernte der Grassilage beginnen. Bei entsprechend guter Planung und einem frühzeitigen Beginn der Jungwildsuche – möglichst noch vor Sonnenaufgang – können mehrere Hektar Fläche innerhalb weniger Minuten abgeflogen und vorgefundene Rehkitze oder Junghasen in Sicherheit gebracht werden.

Der Schutzgedanke gilt dabei nicht nur dem Überleben der Wildtiere, Tierschutz dient vor allem auch den Landwirten, denn die Einbringung von Aas mit dem Silofutter in den Stall kann zu schweren Erkrankungen bei Rindern führen. „Deshalb liegt es im besonderen Interesse unserer Bauern, bei der Kitzrettung mitzuwirken“, sagt Roland Heigl. Tatsächlich gab es auch im vergangenen Jahr im Landkreis Cham einige Bußgeldverfahren, weil Jagdpächter nicht über einen Mähtermin informiert wurden und mehrere Rehkitze zu Tode kamen. Seit auf großen Flächen riesige Schlepper mit bis zu drei Mähwerken in einem Arbeitsgang eine Grasbreite von bis zu zehn Metern mähen, hat das Jungwild keine Chance, den rasenden Messern der Scheibenmähwerke zu entkommen – wenn nicht der Mensch eingreift.

Moderne Drohnen mit Wärmebild- und Digitalkameras sind in vielen Jagdrevieren verfügbar. Besonders bewährt hat sich die moderne Technik, wenn Jäger, Tierschützer und Landwirte eng zusammenarbeiten. Die aufgrund ihrer Körperwärme von der Drohnenkameras entdeckten Rehkitze oder Junghasen werden entweder mit einem Wäschekorb, Gras und einem Stein in der Wiese gesichert, oder geborgen und für die Zeit der Mahd im angrenzenden Gelände auf diese Weise festgehalten. Nach der Mahd werden die Kitze umgehend freigelassen. Wichtig ist deshalb, dass die Landwirte möglichst am frühen Morgen mit dem Mähen beginnen, denn wenn die Sonne auf die „gefangenen“ Kitze brennt, machen diese in ihren Schutzbehältern schnell schlapp.

Neben den Drohnen, die in vielen Revieren bereits erfolgreich eingesetzt werden, sind aber auch elektro-akustische Wildretter hilfreich, die in unregelmäßigen Abständen schrille Töne erzeugen und Lichtsignale aussenden. Sie verleiten ebenso wie Wildscheuchen die Muttertiere, ihren Nachwuchs vor der erkennbaren Gefahr in Sicherheit zu bringen. Diese Maßnahmen greifen aber nur, wenn sie am Abend vor der Mahd laufen, „auch das Durchgehen von Wiesen mit vielen Helfern in einem Abstand von maximal fünf Metern ist eine Möglichkeit, Rehkitze zu entdecken“, rät der BJV-Kreisgruppenvorsitzende. Optimal sind Warnsysteme wie das Sensosave des Maschinenherstellers Pöttinger, das beim Mähen die Abwärme von Kitzen erkennt und das Mähwerk sofort aushebt.

Der Drohneneinsatz ist mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Bis zu drei Wochen sind die „Drohnenteams“ nahezu jede Nacht mit Einsätzen gefordert, wobei die Anschaffung des technischen Equipments mit Kosten zwischen 5000 und 15000 Euro verbunden ist. Einige Jagdgenossenschaften haben inzwischen auch die Förderangebote des Bundes genutzt, der bis zu 4000 Euro pro Drohne als Zuschuss gibt, auch verschiedene Tierschutzorganisationen nutzten diese Unterstützung des Bundes und die freiwillige Einsatzbereitschaft vieler Tierfreunde bei der morgendlichen Jungwildsuche.

„Der schlechteste Weg wäre, nichts für die Wildrettung zu tun“, gibt Roland Heigl zu bedenken. Die Landwirte oder beauftragte Lohnunternehmer sind verpflichtet, Flächen vor Mähbeginn abzusuchen. Zweckmäßig ist dabei die Abstimmung mit den Revierpächtern, die ihrerseits Wildscheuchen, bunte Flatterbänder oder akustische Scheuchen aufstellen, die Wiesen mit Hunden am Vorabend der Mahd abgehen und so die Rehe vergrämen können. Beim Drohneneinsatz ist dann vor allem Zusammenarbeit gefragt, denn neben dem Drohnenpiloten, der sein Team mit Funkgeräten einweist, sind mindestens drei Helfer nötig, um größere Wiesenflächen zuverlässig zu sichern.

Das Sensosave-System des österreichischen Maschinenherstellers Pöttinger erkennt mit Wärmebildtechnik Tiere im Gras und hebt sekundenschnell die Mähwerke aus.

Pöttinger

Die Jagdgenossenschaft Lederdorn war Vorbild bei der Anschaffung einer eigenen Drohne und stellt auch die Suchmannschaft dazu.

Im hohen Gras sind Rehkitze für den Schlepperfahrer nicht zu erkennen.

Rehkitz

Fotos/Text: Dachs